Responsible Recruiting

Inklusives und nachhaltiges Personalmanagement

Wir stellen Ihnen ein Unternehmen vor, das über eine Jobvermittlungsplattform den Dialog der Generationen fördert und so zur gesellschaftlichen Wertschöpfung beiträgt. 

Interview mit

Klaudia Bachinger

Gründerin und CEO der WisR GmbH

 

Klaudia Bachinger ist Gründerin und CEO von WisR, einem österreichischen Start-up, das mit seiner Online-Jobvermittlungs-plattform für ältere Menschen aktiv Generationen zusammenbringt und sich für gemeinsame Wertschöpfung einsetzt. Klaudia ist studierte Romanistin und Medienwissenschaftlerin, spricht fünf Fremdsprachen und hat zuvor als Journalistin und Filmproduzentin gearbeitet. In ihrer Zeit als Filmemacherin und Journalistin hat sie sich mit der Frage, wie wir in Zukunft arbeiten werden und wo der Mensch noch wichtig sein wird, auseinandergesetzt. Vor zwei Jahren hat sie das HR-Tech Startup WisR – die erste globale Job-Matching-Plattform für Senior Talents – gegründet und sich zum Ziel gesetzt, motivierte Menschen über 59 für projektbasierte, saisonale und Teilzeitjobs zurück in den Arbeitsmarkt zu bringen.


Das Interview

Sie vermitteln sogenannte Senior Talents trotz Pensionsantritt in Jobs. Ist das ein Modell, das in Zukunft zur Pflicht für uns Arbeitnehmer wird, um Pension zu bekommen?

Tatsächlich denke ich, dass der demografische Wandel nach dem Klimawandel die zweitgrößte Herausforderung unserer Gesellschaft sind. Wir leben alle länger und bleiben gleichzeitig immer jünger. Zum Beispiel hat ein 60-jähriger Mensch heute das biologische Alter eines 40-jährigen von vor 100 Jahren. Damit ist es absurd Menschen mit Anfang 60 aus dem Arbeitsmarkt zu drängen und sie in Zwangsruhestand zu schicken, wo sie die nächsten 25 Jahre nicht mehr als aktiver Teil der Gesellschaft angesehen werden. Es ist also keine Pflicht für uns Arbeitnehmer, es ist eine Chance! Der Mensch möchte eine Aufgabe im Leben haben, etwas gestalten, mit anderen Menschen interagieren und sich weiterentwickeln - das ist auch im hohen Alter noch so. 

 

 

Inwieweit können Pensionist*innen/ältere Arbeitnehmer überhaupt das Fachkräfteproblem in Unternehmen mildern? Schließlich sind digitale Kompetenzen heutzutage unabdingbar?

 

Klar, digitale Kompetenzen sind heute unverzichtbar und die Arbeitnehmer 55+ werden sicherlich nicht das gesamte Problem lösen. Geschätzt sind es 22 Prozent des Fachkräftemangels, die wir mit dem Potenzial der Älteren lösen könnten. In der Tat geht es aber nicht nur um Fachkräfte. Viele Betriebe finden schon gar keine Bewerber*innen mehr – auch für einfache Aushilfstätigkeiten, im Verkauf, im Kundenservice und im Logistikbereich.

 

 

In welche Berufe haben Sie Pensionist*innen bisher am häufigsten vermittelt?

 

Unsere Senior Talents werden derzeit vor allem in den Bereichen Vertrieb, Kundenbetreuung und Administratives, Buchhaltung und Controlling, aber auch im technischen Bereich wie z.B. für Anlagenwartung oder IT gesucht. In vielen großen Konzernen werden erfahrene Mitarbeiter oft im Bereich Qualitätssicherung und -management, Prozessoptimierung oder Business Development eingesetzt. Ich fände es darüber hinaus sehr spannend mehr Senior Talents in Innovationsprojekten und bei der Entwicklung und Vermarktung neuer Produkte einzusetzen. Leider gibt es in Österreich und Deutschland noch zu wenig Innovationsabteilungen, die einen wirklich inklusiven, kundenorientierten Zugang pflegen. Das ist eigentlich sehr verwunderlich, wenn man bedenkt, dass die Generation 55+ die kaufkräftigste Zielgruppe ist und großes Interesse an neuen innovativen Services und Produkten hat. 

 

 

Welche Vorteile bieten ältere Arbeitnehmer. Warum sollten Unternehmen auf sie setzen?

 

Das Potenzial ist riesig. Wir haben in jeder Lebensphase Fähigkeiten, die sich besonders entwickeln. Während wir in unserer Jugend eine gewisse Naivität und Mut zum Ausprobieren haben, werden wir mit zunehmendem Alter weiser, erkennen Muster schneller und sind effizienter. Auch Fähigkeiten wie emotionale Intelligenz, Kundenorientierung, Verhandlungsgeschick, Urteilsvermögen und kritisches Denken nehmen mit dem Alter zu. Diese Fähigkeiten sind gerade auch in der Entwicklung von neuen Technologien, Geschäftsmodellen und dem Umgang mit Daten sehr wichtig und gewissermaßen unser Alleinstellungsmerkmal (zur Abgrenzung von Maschinen). Aber auch im Verkauf, Kundenservice, Qualitätssicherung, Prozessoptimierung und natürlich der Ausbildung von jungen Arbeitskräften sind die Fähigkeiten erfahrener Mitarbeiter unheimlich wertvoll. Die fachliche Expertise sei hier noch nicht einmal angesprochen. Das kommt je nach Profession noch on top. 

 

 

Welchen gesellschaftlichen Mehrwert schaffen Sie mit WisR?

 

Wir haben unseren Impact in SDGs aufgeteilt: 

  • SDG 3 bezieht sich auf ein gesundes Leben für alle Menschen jeden Alters zu gewährleisten. Wir wollen Menschen dabei unterstützen anstatt in ein Pensionsloch und Altersdepression zu fallen, ihre Lebenszeit sinnvoll zu nutzen, neue Herausforderungen anzunehmen und Dinge zu lernen, sowie die eigenen Fähigkeiten sinnvoll einzusetzen.
  • SDG 10 bezieht sich auf ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum, produktive Vollbeschäftigung und menschenwürdige Arbeit für alle. Unsere Senior Talents können in Zeiten des Fachkräftemangels und Wissensverlust durch ausscheidende Mitarbeiter*innen einen wertvollen Beitrag für Unternehmen leisten.
  • SDG 1 bezieht sich auf das Thema Armutsprävention, was vor allem bei alleinstehenden Frauen im Alter ein riesiges Thema ist.
  • SDG 4 steht für die Förderung von Bildung und lebenslangem Lernen. Das ist wohl der am schwierigsten zu messende Impact, aber essentiell wichtig wenn es um den Wissenstransfer zwischen den Generationen geht.
  • Und zuletzt das SDG 10 bezieht sich sehr allgemein auf gesellschaftliche und ökonomische Inklusion aller Gruppen.

 

Bisher sind Sie in Österreich und Deutschland aktiv. Wie ist Ihre Einschätzung, lässt sich dieses Modell europaweit gegen Fachkräftemangel einsetzen?

 

Absolut. Da wir eine englische Website haben, bekommen wir auch bereits Anfragen aus Ländern wie Rumänien, Ungarn, Tschechien, Bulgarien, aber auch Spanien, Italien, Schweiz, Israel und UK. Ich sehe vor allem im Osten ein riesiges Potenzial, da hier massenweise junge Fachkräfte in den Westen abwandern und Firmen kaum noch Arbeitskräfte finden. Über Europa hinaus betrifft der Arbeitskräftemangel am härtesten Länder, die eine starke wirtschaftliche Entwicklung hingelegt haben wie Mexiko, Russland, Südkorea und Brasilien.

> Positiver Impact auf Ihre Nachhaltigkeitsstrategie

Das Unternehmen

WisR - sprich „weiser”- ist ein österreichisches Start-up, das mit seiner digitalen Karriereplattform für ältere Menschen aktiv Generationen zusammenbringt und sich für gemeinsame Wertschöpfung einsetzt. Das Ende 2017 von Klaudia Bachinger, Carina Roth und Martin Melcher in Wien gegründete Unternehmen, vermittelt in Österreich und Deutschland flexible Jobs und Projekte an „Senior Talents”, Menschen 55-75 Jahren. Die Registrierung auf der Plattform ist für Kandidat*innen kostenlos. Unternehmen können zahlreiche Recruiting-Tools wie die Active Sourcing Suche nutzen, sowie klassische Jobinserate schalten. Derzeit beschäftigt WisR sechs Mitarbeiter*innen und zählt knapp 6.000 registrierte Nutzer, davon 5.100+ Senior Talents und 450+ Unternehmen.